Ulrich Ross aus Essen hat nach einer Veranstaltung – dem Glückfindertag Anfang Januar – die ich fotografisch begleitet habe, diesen schönen Artikel geschrieben
Besser als Hobbit Frodos Ring oder Harry Potters Zaubermantel: Foto-Michaels Unsichtbarkeitstechnik.
Was habe ich mir damals als Kind gewünscht, einfach mal unsichtbar zu sein. Auf Kommando. Abends noch unbemerkt von den Eltern den Fernsehfilm sehen, im Kaufhaus umherlaufen, die andere Clique belauschen. Doch eine Unsichtbarkeitstechnik gab es leider nicht.
Dann habe ich den kleinen Hobbit gelesen (das Buch ist besser als die Filme!). Frodo setzt "den Ring" auf und wird unsichtbar.
Später tauchte das auch als Mantel für Harry Potter auf, und in einigen anderen Büchern und Filmen.
Allen diesen Techniken ist gemein, dass ein Hilfsmittel benötigt wird. Ring, Mantel, Maschine, Spray, ... . Auch fällt der Übergang von "sichtbar" zu "unsichtbar" oder wieder zurück auf. Wenn sich Frodo den Ring aufsteckt, ist da, wo gerade Frodo stand, kein Frodo mehr. Das fällt auf. Wenn Harry den Tarnmantel auszieht, ist da, wo vorher nichts war, plötzlich ein Harry mit Mantel überm Arm. Das fällt auf. Deshalb muss man sich für den Übergang verstecken und hoffen, dass dort niemand hinsieht.
Was ist nun mit Michael?
Ich habe ihn beim Fotografieren auf einer Veranstaltung getroffen. Er saß neben mir und hat ein paar Fotos gemacht. Dann stand er plötzlich auf der anderen Seite des Raumes und hat fotografiert. Ich hätte schwören können, dass er noch neben mir gesessen hätte. Das ist mir ein paar Male passiert. Plötzlich war Michael woanders. Hat er auch einen Ring? (Nein.) Einen Mantel gar? (Nein, und seine Jacke lag neben mir.) Was hat er dann?
Talent. Er ist beim Fotografieren so unauffällig, dass er nicht unsichtbar _wird_. Nur, gerade war er noch da, dann ist er weg. Ohne dass ich den Übergang mitbekommen hätte. Das ist eine geniale Technik.
Vielleicht erinnerst du dich noch an Onkel Dieter, wie er damals die Feier von der Dingens aufnehmen sollte, wie heißt das Kind noch? Wir erinnern uns eigentlich nur noch an Onkel Dieter mit der knarzenden Lederjacke und dem großen Fotokoffer, mit dem so oft Gläser lautstark umgeworfen hat. Seine Lederabsätze knallten auf dem Parkett, seine Kamera kündigte ein scharfgestelltes Motiv mit einem PIEP-PIEP!!! an und auf den viel zu hellen Blitz folgte das simulierte Geräusch des Blendenverschlusses samt anschließendem Filmtransport (Digitalkamera!) an. Onkel Dieter war einfach aus der Menge herauszuhören. Jede Familie hat einen Onkel Dieter. Er hat zwei Kameras und ist der billige, enthusiastische Familienfotograf mit viel Potential nach oben.
Michael hingegen ist mal hier, ist mal da, und nur ein einziges Mal habe ich ihn gesehen, wie er zwei Treppenstufen emporgegangen ist - danach war er wieder unsichtbar.
Am Ende des Abends hat er weit über 200 Fotos gemacht. Aus verschiedenen Blickwinkeln. Ich frag mich nur - wie? Er stand doch eigentlich immer nur irgendwo da.
Wenn du diese Fähigkeiten selber mal erleben möchtest: https://www.facebook.com/jordanfotograf
Und ja, das schafft jeder gute Fotograf zu einem gewissen Grad. Auf einer Skala von Onkel Dieter bis zu Michael Jordan.
25.01.2016